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Die letzte Meile in Ballungsräumen

23. August 2022

Wie Micromobility, fußgängerfreundliche Städte und Elektromobilität den Lieferverkehr in Großstädten verändern werden.

Vor unserem Flagship in der Brunnenstraße befindet sich eine Allee mit Bäumen, ein Radweg in Standardbreite und ein recht breiter, von Pflastersteinen gesäumter Fußweg. Es gibt an jedem Baum Fahrradständer, Ausfahrten sind durch Poller von den Fußgängern getrennt. Doch wer sich hier öfter aufhält, dem wird schnell klar, dass hier nicht Fußgänger und Radfahrer im Vordergrund stehen, sondern die Fortbewegung mit dem Auto. Von den zwei Fahrstreifen der Brunnenstraße wird einer oft von Transportern zum Halten genutzt, selbst zu Stoßzeiten wird nur der linke befahren. Trotzdem teilen sich die Fußgänger noch immer den Fußweg vor den Geschäften mit Radfahrenden, deren Anzahl gefühlt täglich steigt. Und auch der mit Pollern geschützte Radweg in der angrenzenden Invalidenstraße ist weit weg von einer autofreien Zukunft, denn er lässt keine Möglichkeit zum Überholen langsamerer Radler durch zum Beispiel Pedelecs. Dabei erproben diverse Lieferdienste in diesem Bereich die Zustellung ausschließlich durch alternative Zustellmethoden wie Lastenräder.Veränderung liegt in der Luft. Wie andere Städte diese Probleme bereits lösen, welche Veränderungen notwendig sind und warum der Abschied von Homedelivery ein Schlüsselelement sein wird.

Ein DPD Lieferant stellt Pakete mit einem ONO Lastenrad zu.

36 % mehr Lieferfahrzeuge bis 2030Wenn sich das Liefervolumen weiterhin so rasant entwickelt, wird es bis zu 21% mehr Stau geben. Davon geht das World Economic Forum aus. Um dagegen anzukommen, muss der Lieferverkehr verlagert werden.Doch Ansätze, den Großteil des Lieferverkehrs in der Nacht abzuwickeln, wie es für Supermarktlieferungen oft üblich ist, sind für Paketzustellung nicht möglich, da Pakete vor allem aufgrund von Homedelivery nur tagsüber ausgetragen werden können.Folgen sind Staus durch haltende Lieferfahrzeuge, gefährliche Verkehrssituationen an Straßen ohne Ampelanlagen, wie sie in Wohngebieten üblich sind und eine steigende Belastung durch Emissionen wie CO2 und Feinstaub. Welche Lösungsansätze gibt es also?
Micromobilität im Zuge der StadtplanungDie Vorraussetzungen, damit Lieferungen mit alternativen Fahrzeugen möglich werden, müssen vor allem im Zuge der Stadtplanung bedacht werden.Als Erstes muss hierzu die Infrastruktur für Fahr- und Lastenräder geschaffen werden. Eine Möglichkeit zur Bewertung der Fahrradfreundlichkeit einer Stadt ist der Copenhagenize Index, der Städte in verschiedenen Kategorien wie Infrastruktur, Sharingangebote oder Sicherheit betrachtet. In der Datenbank liegen über 600 Städte jede mit mindestens 600.000 Bewohnern. In 2011 war Berlin noch auf Platz 4 und ist seitdem auf Platz 15 gesunken (Stand 2019). Den ersten Platz belegen seit je her die Städte Amsterdam und Copenhagen. In Dänemarks Hauptstadt nutzen 62 % der Einwohner das Fahrrad für den Weg zur Arbeit oder Schule. Grund hierfür ist vor allem die Infrastruktur, die neben Straßenbegleitenden Radwegen vor allem auch Radschnellwege und Fuß- und Fahrradbrücken beinhaltet. Amsterdam hat schon lange den Ruf als Fahrradstadt. Wer hier schon einmal war, kennt die riesigen Fahrradparkhäuser an den Fähren und wird bemerkt haben, dass in der Innenstadt viele Gebiete nur für Lieferfahrzeuge oder Anwohner mit dem Auto befahrbar sind.

Radverkehr in den Städten Berlin, Amsterdam und Kopenhagen

In Berlin fehlt es vor allem an ausreichend breiten Fahrradwegen, die Platz zum Überholen vor allem für Räder mit Elektroantrieb bieten. Aufgrund ihrer Breite nehmen Lastenräder oft mehr als die Hälfte des Radstreifens ein, sind aber dank Elektroantrieb häufig schneller unterwegs als normale Fahrräder. Eine kurzfristige Möglichkeit sind Pop-up-Radwege, welche nach einer Testphase zu dauerhaften Radwegen umgestaltet werden. Sie nehmen oft Breite einer ganzen Fahrbahn ein und haben somit die doppelte Breite eines herkömmlichen Radstreifens (also 3,25m statt 1,60m).Öffentliche Parkplätze wurden in einigen Gebieten bereits zugunsten von Sitzgelegenheiten und zeitlich begrenzt nutzbaren PUDO (Pick-Up-Drop-Off) Flächen zum Be- und Entladen von Lieferfahrzeugen oder zum Ein- und Aussteigen umgestaltet. Die Flächen können zudem für Sharingfahrzeuge wie E-Roller, Scooter oder Fahrräder genutzt werden, wie zum Beispiel mit den Jelbi-Mobilitätsstationen. In Kreuzberg wird bereits rund um den Lausitzer Platz eine Fußgängerzone erprobt. Durchfahrt ist hier nur für Fußgänger und Radfahrer gestattet, mit geringen Ausnahmen zu bestimmten Zeiten und in Schrittgeschwindigkeit für Lieferverkehr oder Anwohner. Parken ist für Kraftfahrzeuge nicht gestattet.

Verschiedene Ansätze, um Micromobilität zu stärken. Oben: Jelbi Stationen mit und ohne Carsharing-Parkplätzen, Unten: Öffentlicher Stellplatz für Bikesharing und Scootersharing, Einfahrt zum Lausitzer Platz für Lieferfahrzeuge (Poller sind nur mit einer Fernbedienung steuerbar)

Microhubs und Out Of Home Delivery (OOH)Um Lieferungen im Rahmen von Micromobilität möglich zu machen, braucht es zusätzlich eine Umstrukturierung der letzten Meile. Im Fall von Berlin versorgt das Sortierzentrum Rüdersdorf der DHL beispielsweise die Zustellbasen in den Postleitzahlgebieten 10,12 und 14, von denen aus die Zustelltransporter die Empfänger beliefern.Für die Zustellung durch Lastenräder müssten diese Zustellbasen durch sogenannte Microhubs verdichtet werden, um die Strecken zu verkürzen, die zum Empfänger zurückgelegt wird. Nur so kann die Liefermenge in mehreren Touren bewältigt werden. Diese Hubs würden sich hierbei oft in den Wohngebieten selbst befinden, statt wie üblich in Industriegebieten oder am Stadtrand, da sie deutlich kleiner sind. Aktuell werden für Pilotprojekte oft umgestaltete Frachtcontainer genutzt, in Zukunft könnten zum Beispiel leerstehende Ladenflächen in Frage kommen.Daher könnten Microhubs zusätzlich als Paketshops dienen. Da die Hubs von Hause aus täglich beliefert werden, müssen fallen zusätzliche Stopps zur Versorgung der Shops weg. Hieraus ergibt sich auch die Möglichkeit, auf dem Gelände des Microhubs Paketstationen zu errichten, an denen Empfänger ihre Pakete flexibel abholen können, ohne an Öffnungszeiten gebunden zu sein.
Mit PaketConcierge reduzieren wir schon heute den Lieferverkehr durch gebündelte Zustellung. Mit jedem neuen Nutzer kann ein weiterer Lieferstopp gespart werden und somit die Emissionen und Verkehrsbelastung gesenkt werden. Unser Ziel ist es, dass unsere Shops so dicht an den Empfängern ist, dass OOH nicht länger als unbequeme Zwangslösung, sondern als bessere Möglichkeit als die Lieferung nach Hause angesehen wird, da der Empfänger die volle Kontrolle über seine Lieferung behält.